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„Von den Ermordeten zu erzählen, halte ich für meine Pflicht.“

Gespräch mit einer Zeitzeugin des nationalsozialistischen Terrors

 

Die ganze Klassenstufe 9 des Gymnasiums der Oscar-Paret-Schule hatte am 5.12. die inzwischen seltene Möglichkeit, im Rahmen des Projekttages ins Gespräch mit einer Zeitzeugin des Nationalsozialismus zu kommen.

Die 96-jährigen Ruth Rosenstock berichtete als einzige Überlebende vom Massaker an den jüdischen Bewohnern und Bewohnerinnen der polnischen Stadt Mikuliczyn. Geboren 1928 im damals deutschen Königsberg als Tochter eines jüdischen Vaters und einer christlichen Mutter kam sie im Alter von sechs Jahren nach Polen, wo der jüdische Teil ihrer Familie lebte. Nach dem Einmarsch der Deutschen waren jüdische Menschen auch in Mikuliczyn Diskriminierung und Schikanen ausgesetzt.

Um das Überleben der Familie zu sichern, ließ sich Frau Rosenstock als 13-jährige auf waghalsige Unternehmungen ein und versorgte die Familie durch Tauschhandel mit Lebensmitteln. Letztlich rettete ihr ein Unglück das Leben: Nachdem der Fluss Pruth über die Ufer getreten war, wurde ihr Haus unbewohnbar und sie mussten sich in einem ehemaligen Sanatorium einen Unterschlupf suchen. Auf diese Weise gelang es Ruth Rosenstock, ihrer Schwester und ihrer Mutter dem Massaker zu entgehen und nicht wie alle anderen Frauen und Kinder nachts aus ihren Häusern abgeholt zu werden. Die jüdischen Männer des Ortes wurden von ihrer Arbeitsstelle im Sägewerk abgeführt, unter ihnen war auch der Vater Aaron Rosenstock. Wie alle anderen 205 jüdischen Bewohner des Ortes fiel er den Massenerschießungen der Deutschen zum Opfer.

Die Schüler und Schülerinnen der Klassenstufe 9 lauschten gebannt den Erzählungen und nutzen im Anschluss die Chance, Fragen zu stellen. Ihr Interesse und ihre Betroffenheit waren deutlich spürbar. Die Frage, was für Ruth Rosenstock das schlimmste gewesen sei, beantwortete sie folgendermaßen: „Dass alle Freunde und auch viele kleinere Kinder von deutschen Männern erschossen wurden – und niemand hat gesagt, das mach ich nicht.“

Ruth Rosenstock ist es wichtig, ihre Erlebnisse mit jungen Menschen zu teilen, doch trotz ihrer schlimmen Erfahrungen ist es ihr gelungen, sich ein Leben danach aufzubauen. Sie ist inzwischen 96 Jahre alt, was man ihr nicht im geringsten ansieht, darauf angesprochen, gab sie das Geheimnis dafür preis: „Tennis spielen, Ski fahren, wenig Cholesterin und vor allem immer am Ball bleiben.“ Sie hat ihre Erlebnisse auch in einem Buch verarbeitet: „Die Flucht nach vorne“ (edition fischer; 2. Edition 2020).

 

Wir sind sehr dankbar für Frau Rosenstocks Besuch an der OPS, der uns allen lange in Erinnerung bleiben wird – unser Dank gilt aber auch Janine Voh (Referendarin mit den Fächern Geschichte und Ethik), die mit erheblichem Engagement diese Begegnung möglich gemacht hat.

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